Ein Nachruf auf meinen Mentor
Jorgos hat auf mich und meine Trauerarbeit sehr großen Einfluss ausgeübt: Er war der Mensch, der mich nach dem Tod meines Mannes wieder stabilisiert hat, und der mir zeigte, dass wir nicht nur ein „Trauerbein“ haben, sondern auch ein „Freudenbein“. Auf einem Bein kann man nicht gut stehen, man braucht beide Beine, um einen festen Stand zu haben – hüftbreit und nachgebend in den Knien. Das ist nun stets meine Übung zu Beginn einer Trauerarbeit, die ich mit meinen Teilnehmenden durchführe.
1993 begann ich mit der Weiterbildung zur Trauerpädagogin in der „Akademie für Menschliche Begleitung (AMB)“, die Jorgos 1985 in Essen gegründet hatte. Es war die Zeit, in der ich lernte, wieder ICH zu sein und mich wieder dem Leben zuzuwenden. Zu sehr hatte ich an einem Weiterleben gezweifelt, nachdem mein Mann plötzlich und unerwartet mitten in den Ferien in Italien im Meer in seiner geliebten Bucht ertrank. Ich war plötzlich allein mit sechs Kindern, mir war undenkbar, das neue Leben allein meistern zu können.
Dass Jorgos mir die Zuversicht und die Wiederaneignung der Freude im Leben ermöglichte, trotz der schwierigsten Aufgaben, war mir ein großes Geschenk.
Darum trauere ich jetzt um ihn als einem Begleiter und Meister, der nicht mehr in dieser Welt weilt, wohl aber in den vielen Herzen der Menschen, die ihn kannten oder durch die Trauerarbeit erlebt haben – sein Verdienst ist es, uns das „Trauerumwandlungs-Modell“ erfahrbar gemacht zu haben:
Wir können die „Lebenshindernde Trauer in eine Lebensfördernde umwandeln“ war sein Konzept – so wird aus Trauer, die uns stetig begleitet, etwas, das uns die Fülle des Lebens erfahren lässt.
Lieber Jorgos, du bist nicht mehr hier, aber dennoch da!
Renata Bauer-Mehren (Leiterin RBM-Institut), im April 2024